Der alte Mann und die gerechte Sprache.

 

Rolf Müller.

 

Dem alten Mann fällt auf, dass sich die Sprache in den christlichen Gemeinden geändert hat. Das ist an und für sich kein großes Problem. Bedenklich ist, dass diese Wandlung konsequent in eine bestimmte Richtung geht. Dabei orientieren sich die christlichen Gemeinden am Zeitgeist und am Trend der Gesellschaft.

 

Nicht einmal die Bibel, das Wort Gottes, wird von diesem Wandel verschont. Auf die sogenannte „Volxbibel“ folgte die „Bibel in gerechter Sprache“. Man behauptet, die Bibel sei ein intolerantes, frauenfeindliches, patriarchalisches Machwerk und müsse deshalb an vielen Stellen verbessert werden. Die männliche Dominanz müsse gebrochen werden. Viele Bibelverse wurden in diesem Sinn verändert und gefälscht.

 

Der alte Mann erinnert sich, das dem Petrus kurz vor seiner Verleugnung des Herrn von einer Magd gesagt wurde: „Du bist auch ein Anhänger dieses Jesus von Nazareth, denn deine Sprache verrät dich!“

 

Auch der heutige Sprachgebrauch gibt Aufschluss darüber, welcher theologischen Richtung oder welcher Ideologie ein Bischof oder ein Kirchenführer anhängt. Ihre Sprache verrät sie. Oft erkennt man leicht, welcher Geist am Werk ist. An vielen Stellen schimmert eine feministische Bibelkritik durch.

 

Wenn es früher „Liebe Brüder und Schwestern“ in den Gottesdiensten hieß, sagt man heute „Liebe Schwestern und Brüder“ als gebräuchliche Anrede, falls man nicht die etwas neutralere Anrede „Liebe Gemeinde“ bevorzugt. Im Gemeinschaftsliederbuch „Jesus unsere Freude“ ist dem alten Mann aufgefallen, dass der Text des Liedes „Jesus, schenk mir Bruderliebe“ in „Jesus, schenk mir wahre Liebe“ geändert wurde. Es scheint so, dass jeder Text, der männliche Attribute enthält, als diskriminierend für Frauen empfunden wird. Damit ist das Pendel endgültig in die andere Richtung ausgeschlagen. Wenn ein männliches Wort in einem Text nicht zu vermeiden ist, muss heute infolge eines ungeschriebenen Gesetzes sofort ein weiblicher Begriff hinzugefügt werden.

 

Dass das dabei oft zu einer unfreiwilligen Komik führt, ist unvermeidlich. Auch deshalb, weil weibliche Begriffe nur positiv erwähnt werden, während negative Bedeutungen meistens weggelassen werden.

 

Der alte Mann schmunzelt über Engelinnen, Pharisäerinnen und Brüderinnen. Von Teufelinnen, Dämoninnen, Satanistinnen und Schlepperinnen ist weniger die Rede. Das behält man sich für die Männer vor.

 

Dabei merkt man oft gar nicht, wie lächerlich man sich macht. Der alte Mann hörte schon von Holzhackerinnen, Feuermelderinnen, Mikrofoninnen, Flugzeugträgerinnen, Witwinnen, Wasserwerferinnen, Salzstreuerinnen, Staubsaugerinnen.

 

Weitere „Wortschöpfungen“ sind Computerinnen, Igelinnen, Elefantinnen und Kannibalinnen. Hauptsache, die Wörter stellen sich weiblich dar! Wichtiger Wortbestandteil ist „innen“. Man kann auch die Schreibweise Container/innen verwenden. Die Gender-Gleichmacherei lässt grüßen. Dass bei diesem „Affentheater“ die Kirchen eine Vorreiterrolle spielen mit hauptamtlichen Genderstellen und Genderbeauftragtinnen, wundert den alten Mann kaum. Er wäre erstaunt und angenehm überrascht, wenn sich die Kirchen diesem Unsinn verweigern würden. Aber solche zeitgeistlichen und modernen Profilierungsmöglichkeiten lässt sich die Kirche natürlich nicht entgehen. Lieber hält sie sich bei ihrer eigentlichen Aufgabe, der Evangeliums-Verkündigung, vornehm zurück.

 

 „Brüder“, der Begriff war gestern, weit in der Vergangenheit. „Alle Menschen werden Schwestern!“, ist das Motto unsrer Zeit.

 

Weck die tote Christenheit a

aus dem Schlaf der Sicherheit;

mache deinen Ruhm bekannt

überall im ganzen Land,

erbarm dich, Herr.

 

Schaue die Zertrennung an,

der kein Mensch sonst wehren kann;

sammle, großer Menschenhirt,

alles, was sich hat verirrt.

Erbarm dich, Herr.

 

(Christian Gottlob Barth).